Besuch bei der Freiwilligen-Agentur – einer sozialen Einrichtung in Neu-Anspach für alle
Der eine oder die andere kann sich bestimmt noch an die Studenten erinnern, die in Abfall-Containern von Supermärkten nach noch brauchbaren Lebensmitteln suchten – und dafür bestraft wurden? Dank zahlreicher privater Initiativen hat sich die Situation heute weitgehend gewandelt, aus dem Entsorgen ist ein Retten von Lebensmitteln geworden. Auch in Neu-Anspach ist im Rahmen der Freiwilligen-Agentur eine solche Initiative entstanden und deshalb haben die Sozialdemokraten der Stadt beschlossen, die Lebensmittelretter von Claudia Bröse zu besuchen.
„In der Bevölkerung schwirren viele Gerüchte und Behauptungen rund um die Lebensmittelretter herum, die durch wenig bis keine Fakten belegt sind. Aus diesem Grund wollen wir uns aus erster Hand das Wer, Was, Wie und Wann erklären lassen.“ So begründete Stadtrat Dr. Jürgen Göbel den Besuch der Delegation bei der Freiwilligen-Agentur Usinger Land.
Das Stichwort aufnehmend räumte Frau Bröse gleich mit mehreren Gerüchten auf. „Zu uns können alle kommen, die kein Problem haben, Lebensmittel zu nutzen, die nicht mehr regulär verkauft werden, aber immer noch in Ordnung, schmackhaft und genießbar sind. Wir beschränken uns nicht auf die Ausgabe ausschließlich an Sozialhilfeempfänger. Wir betrachten uns daher auch nicht als Konkurrent der Tafel, sondern eher als Ergänzung.“ Weiter erläutert Bröse:“Die Lebensmittel-Retter „retten“ Lebensmittel von regionalen Supermärkten, Obst-und Gemüsehändlern, Metzgereien, Bäckereien und anderen Geschäften, bevor sie weggeworfen werden. Ich fahre zum Beispiel drei mal in der Woche frühmorgens ins Frischezentrum nach Frankfurt, um dort überschüssiges frisches Gemüse und Obst abzuholen.“
Vor der Ausgabe werden alle Lebensmittel auf Verzehrbarkeit geprüft und kommen frisch in die mitgebrachte Einkaufstasche. Für den menschlichen Genuss nicht mehr Brauchbares wird für Tierfutter aussortiert und nur endgültig Verdorbenes wird zur Deponie gebracht und dort entsorgt. Die Betriebsräume und Kühleinrichtungen werden regelmäßig gründlich gereinigt, damit Ordnungs- und Gesundheitsamt keinen Grund für Beanstandungen haben.
„Wie wird das alles eigentlich finanziert? Gibt es da öffentliche Zuschüsse?“ war die Frage von Werner Hollenbach. „ Nein, Zuschüsse gibt es nicht. Die Miete für die Räume, Strom, Wasser, Fahrtkosten, alles finanziert sich über die Spenden unserer Kunden. Jeder, der sich Lebensmittel abholt, entscheidet selbst, was es ihr oder ihm wert ist. Im Mittel so zwischen acht und fünfzehn Euro ist den Kunden eine volle große Einkaufstasche wert. In Notfällen wird auch schon mal eine volle Tasche kostenlos abgegeben. Bei ca. 240 Familien und Einzelpersonen pro Woche trägt sich die Einrichtungen.“ Alle Tätigkeiten vom Abholen der Lebensmittel über das Sortieren bis zum Dienst an der Verkaufstheke und die Reinigung wird ausschließlich von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt.
Die zweite Säule der Freiwilligen-Agentur ist die Nähoase. Hier kümmert sich ein Schneider mit einer Helferin darum, dass Altes, Gebrauchtes oder auch nicht passende Neuware wieder flott und passend gemacht wird. Es werden damit ca. 100 Textilien pro Monat vor dem Wegwerfen gerettet – Fast Fashion ist hier out.
Bei einem Rundgang durch die Räume erklärt Claudia Bröse das dritte Standbein der Freiwilligen-Agentur: “Unter der internationalen Marke Repair Café helfen jeden zweiten und vierten Samstag im Monat Elektro- und IT-Experten, defekte Geräte wieder nutzbar zu machen. Dabei geben unsere Ehrenamtlichen wertvolle Tips zur längeren Haltbarkeit, sowie Hilfestellung beim Besorgen von Ersatzteilen oder bei fachlichen Fragen. Ein Kaffee gehört zum netten Plausch mit dazu! Im Schnitt kann etwa die Hälfte der Geräte repariert werden, so dass wir einen erheblichen Beitrag leisten zur Vermeidung von Ressourcenverschwendung und unnötigem Müll.“
Stark beeindruckt von Engagement und Leistung sowohl von Claudia Bröse als auch von ihren Ehrenamtlichen bedankten sich die Besucher für die umfangreiche Information, die doch half, etliche Gerüchte und Halbwahrheiten aus der Welt zu schaffen. Der eine oder die andere versprachen, demnächst auch mal als Kunde hereinzuschauen.

Auf dem Bild von links nach rechts:
Susanne Feisel, Sandra Zunke, Gabi Schubert, Reiman Schubert, Claudia Bröse, Werner Hollenbach, Dr. Jürgen Göbel, Frau Göbel
Foto: Klaus Mally