Tradition schließt Innovation nicht aus – ein Besuch im Hubertushof
Einundzwanzig landwirtschaftliche Betriebe sind in Neu-Anspach tätig und nur noch drei davon als Vollerwerbsbetriebe. Einer von ihnen, das landwirtschaftliche Lohnunternehmen Staehr, war am 6. November Gastgeber für eine Besuchergruppe der Neu-Anspacher Sozialdemokraten.
Christian Staehr, der sich gerne als Bauer bezeichnet:“ Landwirt kann jeder werden, Bauer erst, wenn man Boden hat!“ war gerne bereit, zusammen mit seiner Frau Julia seinen Betrieb vorzustellen, Probleme und Lösungen für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu diskutieren und auch seine Rolle als Orts- und Kreislandwirt zu erklären.
Staehrs Familie, seit Generationen in der Landwirtschaft tätig, kam Anfang der 50-er Jahre nach Anspach und übernahm 1955 eine alte Hofreite im alten Ortskern. „1962 konnten wir auf den Aussiedlerhof Hubertushof umziehen mit 20 ha Land, 8 Milchkühen, 18 Stück Nachzucht, vier Zuchtsauen und 20 Mastferkel“, erläuterte Staehr den Übergang auf das heutige Anwesen. Die ursprüngliche Konzentration auf die Milchviehhaltung wurde im Jahr 2007 aufgegeben, da es deutlich wurde, dass man wirtschaftlich gegen die Großbetriebe nicht bestehen konnte. „Ein Bauernhof ohne Tiere ist kein Bauernhof!“ sind Staehr und seine Frau überzeugt. „Deshalb stellten wir von Milchvieh auf Mutterkuhhaltung mit Bullenmast um. Schweinehaltung haben wir aber aufgegeben.“ Ein weiterer Schritt in Richtung des heutigen Wirtschaftsbetriebes war zum einen der Futterbau mit Getreide, Raps und Mais und zum anderen die Gründung des landwirtschaftlichen Lohnunternehmens mit dem Ausbau der Dienstleistungen. So werden heute 70 ha Grünland, 75 ha Ackerland und 21 ha mit Bewirtschaftungsvertrag bearbeitet. Der relativ hohe Anteil an Grünland liegt an der Beschaffenheit der Böden im Taunus. Schiefertonverwitterungsböden, wie sie in Neu-Anspach üblich sind weisen Ackerzahlen zwischen 20 und 50 aus, während sie zum Beispiel in den Börden in Norddeutschland mit ihren lösshaltigen Schwarzerden weit über 80 von 100 maximalen Punkten aufweisen. Auf Böden mit 20 oder 30 Punkten wächst halt nicht viel mehr als Gras. Aber ein findiger Kopf kann auch daraus etwas machen! Da die Ver- und Entsorgung der Pferdebetriebe mit Stroh als Einstreu für die Ställe auf Grund der Menge immer mehr Probleme bereitete, sann Staehr auf eine wirtschaftliche Abhilfe und kam dabei auf die Produktion von Pellets auf der Basis von Stroh, Heu und Luzerne. Es entstand die Eigenmarke StaehrLETTS. So kann der Betrieb heute seine Kunden mit etwa einem Fünftel des früheren Strohvolumens beliefern bei gleicher und teils sogar besserer Qualität des Einstreus. „Einen kleinen Nachteil hat das Verfahren heute noch“, ergänzte Staehr. „ Wir brauchen sehr hohe Kräfte für die Produktion, die ein Traktor mit über 500 PS liefern muss.“ Ob man das Ganze nicht mit Strom, erzeugt durch Photovoltaik antreiben könnte, war die Frage aus dem Kreis der Besucher. „Im Prinzip schon“ war die Antwort von Staehr. „Doch die Infrastruktur ist dafür nicht ausreichend. Wir benötigen eine recht hohe Leistung, jedoch nicht ständig. Die Photovoltaik liefert jedoch tagsüber andauernd. Und diese Leistung muss abgeführt werden. Die Leitung zu unseren Höfen bis ins Ende des Tales ist jedoch nur für 30 kW ausgelegt. Wenn zum Beispiel in der Reithalle der Wintermühle die Beleuchtung eingeschaltet wird, flackern bei uns hier die Lichter.“ Ein schönes Beispiel für die anwesenden Kommunalpolitiker zum Nachdenken.
Zum Schluss der eindrucksvollen Präsentation eines modernen bäuerlichen Betriebs blieb jetzt nur noch die Frage zu klären, welche Aufgaben ein Orts- und Kreislandwirt so hat. Staehr machte dies an drei für ihn wesentlichen Punkten fest:„In der ersten wichtigen Funktion bin ich das Bindeglied zwischen den Landwirten und den Behörden. Des weiteren werde ich immer beim Verkauf von Ackerland mit eingebunden und, ebenfalls sehr wichtig, auch bei allen Pflanzen- und Tierseuchen betreffende Situationen.“ So ist Christian Staehr zum Beispiel Mitglied der Schweinepest-Taskforce im Kreis.
„Hat denn ein Bauer auch ein wenig Freizeit?“ war eine der letzten Fragen der Besucher. Da huschte ein Lächeln über das Gesicht von Staehr und mit Blick auf seine Frau meinte er:“ Na ja, Dank der Tatsache dass meine Gattin eine studierte Agrarökonomin ist und sie mich somit kongenial unterstützen kann, unseren zwei Festangestellten, den zwei Teilzeitkräften, den bis zu vier Saisonarbeitskräften und einem Praktikanten können wir hin und wieder sogar eine Woche Urlaub machen. Und im Laientheater in Wehrheim mitspielen kann ich auch noch!“ Diese Worte und die mit sichtlicher Begeisterung vorgetragene Vorstellung seines Betriebes überzeugte die Anwesenden, dass der Beruf des Bauern nicht nur Mühsal ist sondern auch eine sehr große Befriedigung sein kann. Mit Dank für die umfangreiche und hoch interessante Information verabschiedete sich die Gruppe von Julia und Christian Staehr.